Eine spannende Frage, die mich seit Beginn meines Studiums und eines meines erster Seminare zu indigenen Sprachen Nordamerikas immer wieder neu zum Nachdenken anregt.
Daher habe ich umso begeisterter mit Dr. Daniel Angerhausen und Dr. Whatson unter anderem über dieses Thema diskutiert, basierend auf dem Film “Arrival” bei “Wissenschaftler reagieren” (arte).
Arrival oder die Geschichte, wie unbekannte Sprachen beschrieben werden
“Arrival” ist ein Science-Fiction-Film, in dem eine Linguistin versucht, die geheimnisvollen Absichten außerirdischer Besucher zu entschlüsseln, indem sie deren Sprache zu verstehen versucht.
Auf sehr spannende, wenn auch nicht immer ganz korrekte Weise, stellt der Film dar, was Sprachwissenschaftler*innen tun, um unbekannte Sprachen zu beschreiben. Sie identif
Bei der Beschreibung der Sprache der Aliens (Heptapod) lernt die Linguistin im Film aber nicht nur die Struktur der Sprache, bspw. wie Wörter, Phrasen oder Sätze gebildet werden, sondern erwirbt auch eine neue Welt des Denkens. Weil die Schriftzeichen der Aliens nicht linear, sondern kreisförmig sind, bilden sie auch deren Verständnis von Zeit ab: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nicht getrennt voneinander. Die Linguistin kann dadurch auch in die Zukunft blicken.
Die Sapir-Whorf Hypothese oder wie Sprachen Einfluss auf unser Denken nehmen können
Damit greift der Film eine alte Frage der Sprachwissenschaft auf, die bis zu Wilhelm von Humboldt zurückreicht. Wie hängen Sprache und Denken zusammen? Im Film wird die Sapir-Whorf-Hypothese herangezogen: Die Sprache, die eine Person spricht, beeinflusst ihre Wahrnehmung und ihr Denken, indem sie bestimmte Konzepte und Gedanken fördert oder einschränkt.
In dieser starken Form, nämlich als sprachlicher Determinismus, dass Sprache die Art und Weise bestimmt, wie wir die Realität sehen und wahrnehmen, wird die These heute in der Wissenschaft nicht mehr unterstützt. Und auch die Idee, die im Film postuliert wird, dass “man sein Gehirn neu vernetzen kann, wenn man in eine andere Sprache eintaucht”, hat keine empirische Evidenz.
Für eine abgeschwächte Variante aber, die Hypothese der sprachlichen Relativät, gibt es durchaus wissenschaftliche Belege, die zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen Sprache und unserem Denken gibt.
Wie hängen Sprache, Denken und Wahrnehmung zusammen?
Studien zur Untersuchung von Raumreferenzen in verschiedenen Sprachen, haben gezeigt, dass kulturelle und sprachliche Unterschiede tatsächlich Einflüsse auf die Kategorisierung von Konzepten haben können. So sind Menschen, die Sprachen sprechen, die auf absoluten Richtungen basieren, sehr gut darin, den Überblick über ihre Position zu behalten, auch wenn sie sich in unbekannten Landschaften oder innerhalb fremder Gebäude aufhalten (Lucy, 1992; Levinson, 2003).
Ebenso belegen Studien, dass Sprecher*innen von Sprachen, in denen es notwendig ist, die Quelle der Information oder des Wissens sichtbar zu machen, auch dazu neigen, dies präziser und vielfältiger Weise zu tun. Die “Herkunft” von Wissen hat in manchen Sprachen eine größere Relevanz als für andere und führt damit zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit, auf die Frage, woher jemand etwas weiß (Matsui, & Fitneva, 2009).
Und auch beim Sprechen über Bewegungsereignisse zeigen sich Einflüsse der sprachlichen Struktur. Und das interessanterweise nicht nur beim Sprechen, sondern auch beim Gestikulieren. Je nachdem Sprachen sprechen, die Art und Weise sowie den Weg einer Bewegung in einer oder zwei Phrasen kodieren, umso unterschiedlicher auch die dazugehörigen Gesten und die hervorgehobenen Aspekte des Ereignisses (Kita & Özyrek, 2003).
Ändert Sprache unser Denken?
Sprache kann unsere Konzeptualisierung beeinflussen und die Art und Weise wie wir Ereignisse oder Gegenstände in der Welt wahrnehmen formen. “Thinking for speaking”, Denken für das Sprechen wie Slobin es genannt hat, ist durchaus empirisch belegt. Neue neuronale Verbindungen, die uns völlig neue Erkenntnisse erlauben, bringt das Lernen neuer Sprachen aber nicht mit sich.
Wer noch mehr über dieses Thema erfahren möchte, dem sei einer meiner liebsten TED-Talks empfohlen:
Spannende Informationen zur Dokumentation bedrohter Sprachen findet man bei DOBES (https://dobes.mpi.nl/) oder beim ELDP (https://www.eldp.net/).
Referenzen:
Kita, S., & Özyürek, A. (2003). What does cross-linguistic variation in semantic coordination of speech and gesture reveal?: Evidence for an interface representation of spatial thinking and speaking. Journal of Memory and language, 48(1), 16-32.
Levinson, S. C. (2003). Space in language and cognition: Explorations in cognitive diversity. Cambridge: Cambridge University Press.
Lucy, J. A. (1992). Grammatical categories and cognition. A case study of the linguistic relativity hypothesis. Cambridge: Cambridge Univ. Press.
Matsui, T., & Fitneva, S. A. (2009). Knowing how we know: Evidentiality and cognitive development. New directions for child and adolescent development, 2009(125), 1-11.